Folge 4: Ethik und Impfen

Shownotes

Auch wenn wir durch Impfungen vor gefährlichen Krankheiten wie die Kinderlähmung geschützt werden, ist seit der COVID-19-Pandemie das Thema Impfen zu einem heiklen Thema geworden. Und das liegt auch an Mythen und Gerüchten rund um Impfungen. In der Folge geht’s also darum, dass wir einen Impfmythos untersuchen. Denn wir möchten beleuchten, wie so eine Studie bis zur Impfzulassung eigentlich abläuft. Natürlich auch, wie Proband:innen innerhalb einer Studie geschützt bleiben. Eine wichtige Rolle spielt auch das Thema Ethik. Auch das thematisieren wird in dieser Folge.

Eure Hosts sind Linda Gumbiowski und Viktoria Baum.

Quellen:

EmpfehlungenzurBegutachtung_2012.pdf (gesundheitsforschung-bmbf.de): https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/files/Empfehlungen_zur_Begutachtung_2012.pdf

https://www.bfarm.de/DE/Das-BfArM/Aufgaben/Deutsches-Register-Klinischer-Studien/_node.html

https://clinicaltrials.gov/

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PODCAST ETHIK UND IMPFEN

De Lepper: «Ich persönlich halte Impfungen für eine maßgebliche Präventionsmaßnahmen, zusammen mit sauberem Wasser, haben Impfungen für ein enormes Eindämmen von Infektionskrankheiten gesorgt, hierdurch sehr, sehr viele Menschenleben gerettet und ich hoffe, dass mehr und mehr Vertrauen in die Impfungen aufkommen.»

V: Mit diesen Worten begrüßen wir euch bei einer neuen Folge von bestens impformiert.

L: Eure Hosts sind heute Linda Gumbiowski

V: und Viktoria Baum.

V: Auch wenn Impfungen uns vor gefährlichen Krankheiten wie die Kinderlähmung schützen, ist seit der COVID-19-Pandemie das Thema Impfen zu einem heiklen Thema geworden. Und das liegt auch an Mythen und Gerüchten rund um Impfungen. Vielleicht habt ihr ja auch davon gehört, dass der COVID-Impfstoff nicht sicher sei, weil einige der "Phasen" ausgelassen worden sein sollen.

L: Genau damit haben wir uns auch beschäftigt. Wir haben recherchiert und schauen in dieser Folge auf die Voraussetzungen, bevor ein Impfstoff für die breite Bevölkerung zugänglich ist. Zwei Expert:innen haben wir dafür interviewt, die uns einige Fragen beantwortet haben.

Heute geht’s also darum, dass wir einen Impfmythos untersuchen. Denn wir möchten beleuchten, wie so eine Studie bis zur Impfzulassung eigentlich abläuft. Natürlich auch, wie Proband:innen innerhalb einer Studie geschützt bleiben. Eine wichtige Rolle spielt auch das Thema Ethik. Auch das thematisieren wird in dieser Folge.

V: Unsere Interview-Partner*innen sind Dr. Marion De Lepper und Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann. Mit Dr. Marion De Lepper haben wir über den Ablauf einer Impfstudie gesprochen. Sie ist Biologin und Epidemiologin und als Medical Adviser bei MSD tätig. MSD ist ein Pharmaunternehmen, das Medikamente und Impfstoffe herstellt. Ihr hört hier also direkt von einer Person aus der Praxis, wie sowas abläuft. Wir haben sie auch dazu befragt, wie das Verfahren rund um den COVID-Impfstoff abgelaufen ist. Und wie es dazu kam, dass der Impfstoff schnell zugelassen werden konnte.

Über ethische Aspekte haben wir mit Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann gesprochen. Als Facharzt für Innere Medizin ist er im Klinikum Bielefeld tätig. Seit 1995 arbeitet er zusätzlich an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Uni Bielefeld. Aus der Perspektive eines Infektiologen haben wir ihn zum Thema Ethik befragt.

L: Aber fangen wir erstmal mit den Basics an: Warum ist die Impfung eigentlich als Interventionsmaßnahme so wichtig? Und bewahren uns Impfungen überhaupt vor Krankheiten? Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann beschreibt die Rolle der Impfung als eine Interventionsmaßnahme:

Bornemann: «Bei den Interventionen unterscheiden wir grundsätzlich zwischen pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen, letztere Masken, Distanzierung klammern wir jetzt mal aus. Kommen wir also zu den medikamentösen Interventionen und da gibt es im Wesentlichen die Impfung. Und eine Impfung ist das haben die letzten min. 100 Jahre oder noch länger bewiesen sind sehr effektive Möglichkeiten, um Infektionskrankheiten in ihrer Dynamik en gros zu beschränken und auch den Einzelnen zu schützen.»

V: Das heißt also, dass uns Impfungen schon seit langer Zeit vor gewissen Krankheiten schützen können.

L: Und hinzu kommt auch, dass dadurch die Verbreitung von Infektionskrankheiten minimiert werden kann.

V: Okay, aber wie funktioniert das Ganze denn genau? Ich hab da auf jeden Fall noch im Hinterkopf, dass es mit dem eigenen Immunsystem und der Immunantwort zu tun hat?

L: Wie das genau abläuft, hat uns Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann beschrieben – und auch, wie eine Impfung wirkt.

Bornemann: «Eine Impfung imitiert eine Infektion. Wenn ein Erreger, in einen Organismus, z. B. einen Menschen hineinkommt, löst es dort irgendwelche Folgen aus, bzw. Krankheiten, und das Immunsystem erkennt den Erreger und bekämpft ihn. Klingt dramatisch, da gibt es eben die verschiedenen Formen der Immunabwehr. Und eine Impfung simuliert eine solche Infektion, da wird also ein Bruchstück oder ein ganzer Erreger in den Körper eingebracht und das Immunsystem, bevor der richtige Erreger kommt, dazu gebracht, sich gegen diesen Erreger zur Wehr zu setzen und ich muss also, um auf ihre Ausgangsfrage zurückkommen, jetzt identifizieren, wo wenn man so will, an der Außenhülle oder an den Baustein des Erregers, kann mein Immunsystem andocken, wo kann ich es gewissermaßen schon vorbereiten auf diese Infektion».

V: Ein guter Bio-Auffrischungskurs! Bei der Entwicklung eines Impfstoffes wird also geschaut, wie das Immunsystem am besten auf die Infektion vorbereitet werden kann. Der Körper wird also für den Ernstfall einer Infektion trainiert. Spannend!

L: Finde ich auch. Ich habe recherchiert, dass es im Anschluss eine Impfstudie gibt, um eine passende Impfung herzustellen. Hier spielen die klinischen Entwicklungsphasen eine wichtige Rolle.

V: Genau. Bei meiner Recherche habe ich erfahren, dass der Ablauf stark aufeinander aufgebaut ist und es teilweise Jahre dauert, bis eine Phase in die Nächste übergeht. Den genauen Ablauf erklärt uns Dr. Marion De Lepper, die Impfstudien durchführt:

De Lepper: «Wir haben einmal eine präklinische Phase, hier kommt noch nicht der Mensch als Proband ins Spiel und wir haben dann eine klinische Phase und hier erfolgt auch die erste Studie am Menschen. Starten wir einfach mal mit der präklinischen Phase. Zunächst einmal überlegt man sich, okay in welchem Bereich gibt es denn einen Bedarf. Zum Beispiel die HPV-Impfung. Irgendwann startete man mit der Forschung und hat versucht herauszufinden, kriegen wir denn einen Impfstoff hin. Dann hat man irgendwann ein vielversprechendes Molekül, das wird dann im Labor in der Zellkultur getestet, es sind sicherlich ein paar Kandidaten, die nicht geeignet sind, irgendwann hat man dann Kandidaten, die sind in der Zusammensetzung sehr gut geeignet, dann hat man weitere Versuche in der Zellkultur aber auch an Tieren, um hier erste Fragstellung zu testen, wird überhaupt eine Immunantwort ausgebildet und erst wenn das zufriedenstellend abgeschlossen ist, geht es in die klinische Entwicklung.»

L: Das klingt sehr komplex. Bevor also eine Impfung in die breite Bevölkerung geht, gibt es verschiedene Phasen. In der ersten – der präklinischen – Phase wird entschieden, für welchen Impfstoff es einen Bedarf gibt. Danach werden an Zellkulturen geeignete Stoffe ermittelt, bis ein geeigneter Kandidat gefunden wird. Anhand von verschiedenen Versuchen wird dann nach einer Immunantwort gesucht. Also nach einer Abwehrreaktion des Immunsystems – der Impfantwort – auf den entsprechenden Impfstoffkandidaten.

V: Genau. Und dann geht es von der präklinischen Phase in die klinische Entwicklungsphase. Das erklärt uns Dr. Marion De Lepper genauer:

De Lepper: «Die klinische Entwicklung, die teilt sich auch nochmal in drei Phasen auf.

Die Phase eins: hier sind wenige gesunde Probanden und hier ist überwiegend, die Sicherheit steht im Fokus und die Studie würde sofort abgebrochen werden, sobald es irgendein Sicherheitssignal gibt, dann würde der Kandidat sofort wieder ins Labor gehen. Erst wenn diese Studie geschafft ist, geht es in die sogenannte Phase 2 Studie, hier sind schon mehrere Probanden eingeschlossen, die Studie findet auch meistens schon in verschiedenen Ländern statt und die Diversität, die wir Menschen einfach haben, mit zu berücksichtigen und die meisten Probanden sind ebenfalls gesunde Probanden und hier geht es dann um die Fragestellung, die letztendlich finale Zusammensetzung von dem Impfstoff, definitiv die Sicherheit und Verträglichkeit, die steht ganz stark im Fokus, aber auch schon erste Wirksamkeit. Und erst wenn diese Phase zufriedenstellend abgeschlossen ist, das hier ist die Entscheidung, machen wir mit dem Kandidaten weiter oder nicht, geht es in die Phase 3: und die Phase 3, das sind dann ja schon mehrere 1000 meistens bei den Impfstoffen, kann aber auch bis zu 10 000, 20 000 Probanden einschließen, kommt auf den Endpunkt drauf an. Und hier steht natürlich wie immer Sicherheit, Verträglichkeit, aber auch die Wirksamkeit im Vordergrund. Und mit diesen Daten wird der Kandidat, der Impfstoffkandidat bei den regulatorischen Behörden, in Europa die EMA zur Zulassung eingereicht.»

L: Die klinische Phase wird also nochmal in drei Phasen unterteilt, das ist schon beeindruckend! Vor allem, dass die Phasen engmaschig aufgebaut sind und daran so viele verschiedene Proband:innen aus unterschiedlichen Ländern beteiligt sind. Wenn da nur ein Sicherheitssignal abgefeuert wird, ist der Impfstoff sozusagen «raus» und geht ins Labor. Wirklich streng und gut zu wissen.

V: Das finde ich auch! Hier greift ja auch schon das Thema Ethik. Dr. Marion De Lepper hat von einer Behörde namens «EMA» gesprochen. Magst du einmal darüber erzählen, Linda?

L: «EMA» steht für «europäische Arzneimittel-Agentur». Wie vielleicht der Name schon andeutet, überwachen und bewerten die Mitarbeitenden der EMA Arzneimittel, um die Gesundheit von Menschen und Tieren zu schützen. Ohne deren Zulassung läuft also nichts. Denn Unternehmen müssen erstmal eine Genehmigung von der EMA einholen, wenn sie eine Impfstudie durchführen müssen. Und erst nachdem die EMA das abgesegnet hat, kann der Impfstoff europaweit vermarktet werden. Erst dann.

V: Und auch wenn sich die Studie mit 10.000 oder 20.000 Proband:innen sehr fortgeschritten anhört, sind die Phasen für den Impfstoff noch längst nicht abgeschlossen. Denn die präklinische Entwicklung ist ein Prozess an sich. Thematisiert haben wir in dieser Folge zur klinischen Entwicklung bislang drei Phasen. Natürlich nehmen da hauptsächlich gesunde Proband:innen teil, um den Impfstoff testen zu können. Aber danach kommt die vierte Phase der Studie. Diese vierte Phase geht über die Zulassung hinaus. Dazu wieder Dr. Marion De Lepper:

De Lepper: «Man muss sich das vorstellen, die präklinischen und die klinischen Studien, die finden unter sehr kontrollierten Bedingungen statt. Es sind sehr strikte Einschlusskriterien, Ausschlusskriterien, die nicht auf die gesamte Bevölkerung einfach zutreffen. Und die Phase 4 Studie, hier wird dann tatsächlich beobachtet, wie der Impfstoffkandidat oder nach der Zulassung, der zugelassene Impfstoff sich in der gesamten Bevölkerung verhält. Also, sehen wir auch in der Gesamtbevölkerung eine Reduktion der Krankheitslast? Das sind dann die interessanten Beobachtungen, die hier angestellt werden. Dann natürlich weitere Sicherheit, Sicherheit ist immer ein ganz, ganz großer Faktor, hier werden wir natürlich auch angehalten nach der Zulassung ein Monitoring aufzubauen, damit sämtliche Sicherheitsbedenken behördlich gemeldet werden, also das machen nicht wir, sondern das macht tatsächlich immer die zuständige Behörde, sodass man halt hier auch sicher sein kann, es wird sich adäquat darum gekümmert, hier hat die Pharmaindustrie keine Möglichkeit irgendwas zu tricksen, das ist natürlich ein ganz, ganz wichtiger Faktor.

Wir hatten mal kurz drüber gesprochen in den einzelnen Phasen, wie viel Probanden eingeschlossen werden. Bei circa 1000 2000 Probanden in der Phase 3 Studie, sieht man nicht alle seltene Erkrankungen oder Sicherheitsbedenken. Wenn 10 bis 20 000 Probanden eingeschlossen werden, hat man schon mehr Möglichkeiten. Wird der Impfstoff aber dann der Bevölkerung zur Verfügung gestellt, dann hat man natürlich eine ganz andere Zahl. Und hier sieht man dann tatsächlich auch die seltenen Ereignisse und kann dann adäquat drauf reagieren.»

L: Also nochmal zusammengefasst: In der vierten Phase wird der Impfstoff dann weiterhin beobachtet, aber nun in der Allgemeinbevölkerung. Und durch die hohe Personenzahl können auch Reaktionen erkannt werden, die nicht so häufig sind. So wird die Sicherheit des Impfstoffes unter Realbedingungen überprüft.

V: Und die Pharmaindustrie ist dann für die Sicherheitsüberprüfung in der Phase 4 Studie nicht mehr zuständig. Das hat uns auch Dr. Marion De Lepper bestätigt. Aber wie kann ich mir sicher sein, dass der Nutzen der Impfung dem Risiko überwiegt? Oder dass der Impfstoff nicht nur an männlichen Personen getestet wurde? Und vor allem, dass nicht nur das Interesse des Herstellers im Vordergrund steht? Also welche ethischen Aspekte werden bei der Impfstoffentwicklung berücksichtigt?

L: Dafür müssten wir jetzt definieren, was wir unter Ethik verstehen. Dazu und auch zur Frage, welche Rolle Ethik bei der Entwicklung von Impfstoffen spielt, Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann:

Bornemann: «Die Ethik, nütze oder schade ich dem Individuum, spielt zunächst einmal bei der Impfstoffentwicklung genau die gleiche Rolle wie bei der Entwicklung jedes Medikaments, da sind die Verfahren hoch standardisiert und da braucht man zunächst mal für die Entwicklung eines Impfstoffes grundsätzlich keine besonderen ethischen Berücksichtigungen. Jetzt kommt aber ein Aber, und zwar in dem Moment, wo ich etwas mache, was im Kontext von Infektionskrankheiten steht, muss ich natürlich immer bedenken, dass irgendeine Intervention an Erregern beziehungsweise an der Reaktion auf Erreger natürlich auch eine Wirkung über den unmittelbaren Patienten hinaus entwickeln kann, und das muss ich natürlich auf dem Schirm haben.»

V: Okay, die Frage der Ethik spielt also bei der Entwicklung von Impfstoffen eine wichtige Rolle und es müssen festgelegte Standards berücksichtigt werden. Es ist spannend, dass bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten die ethischen Aspekte viel weitreichender sind. Aber wer genau ist denn nun für die ethischen Fragen zuständig?

L: Das habe ich recherchiert. Dafür ist die Ethikkommission zuständig. Sie überprüft die Sicherheit der Proband:innen und beurteilt die Studie nach forschungsethischen Gesichtspunkten. Also auch die Ethikkommission überprüft zusätzlich zur EMA, die Qualität der Studie und muss ihr Go für die Zulassung geben. Dafür werden gesundheitliche, wissenschaftliche und kulturelle Werte berücksichtigt. Natürlich greift die Arbeit der Ethikkommission noch viel weiter. Wenn ihr euch dafür interessiert, findet ihr die genauen Informationen in unseren Shownotes. Da könnt ihr nochmal alles in Ruhe nachlesen.

Aber, zurück zu den ethischen Aspekten: Die Ethikkommission schaut, ob die Auswahl der Proband:innen fair getroffen wurde und die Vielfalt der Proband:innen individuelle Risiken aufzeigt. Das wird deshalb so gemacht, damit der Nutzen ausreichend begründet werden kann. Und das alles unabhängig vom Unternehmen, das den Impfstoff herstellt. Außerdem wird überprüft, ob die Impfstudie gesundheitlich relevant ist, also ob überhaupt ein aktueller und notwendiger Bedarf besteht.

V: Und wie präsent ist die Ethik-Kommission während einer Impfstudie?

L: Sehr präsent. Aber hören wir uns an dieser Stelle an, was Prof. Dr. Dr. Reinhard Bornemann zur Position der Ethikkommission in Impfstudien zu sagen hat. Er weiß aus seiner Erfahrung als Mediziner und Wissenschaftler, wie die Ethikkommission arbeitet.

Bornemann: «Ohne das Votum, das positives Votum der Ethikkommission, kann ja die Impfstudie gar nicht gestartet werden. Das heißt, als erstes kommt die technologische Entwicklung und ehm ich gehe mal davon aus Vorstadien, ob dann die Tierversuche separat mit einer Ethikkommission geklärt werden müssen, darüber bin ich nicht informiert aber überspringen wir das mal und sagen wir haben jetzt einen Impfstoff entwickelt, der das erste Mal an Menschen angewandt werden soll, dann muss eine Ethikkommission vorher befragt werden, es müssen je nach Umfang der Studie oder wie hier bei Coronaimpfoffen mit ja zu vermutend, sehr sehr großflächige Anwendung, müssen dann ausführliche Dokumentationen an die Ethikkommission gerichtet werden und dann macht die Ethikkommission üblicherweise noch eine ganze Zahl von Rückfragen und Bedenken, lässt sich das dann noch in einer mindestens 2. Runde nochmal erklären und gibt dann irgendwann grünes Licht und sagt dann die Ethikkommission hat keine Bedenken. Also ich habe selber schon eine ganze Reihe von Ethikanträge gestellt und selbst bei relativ simplen Sachen sind diese Ethikkommission sehr, sehr genau und erst recht natürlich bei solchen großen Studien, die nicht nur einen hohen medizinischen Impact regional beziehungsweise weltweit haben, sondern natürlich auch hoch brisant im Bewusstsein der Bevölkerung sind. Und dann geht eben das routinemäßige Testen durch in den verschiedenen Phasestudien.»

V: Also, zusammengefasst gibt es viele Phasen, die ein Impfstoff durchlaufen muss, bei denen immer wieder ethische, sicherheitstechnische und qualitative Kriterien überprüft werden. So kann der Impfstoff dann auch mit einem Minimum an Risiken auf den Markt kommen.

L: Jetzt wissen wir also mehr zur Rolle der Ethik bei der Herstellung von Impfstoffen. Und dann ist da noch ein Mythos, der uns beschäftigt: Dass bei der Herstellung des Corona-Impfstoffs Phasen übersprungen wurden. Stimmt das? Wurden wirklich Phasen bei der Herstellung des Corona-Impfstoffs übersprungen? Das haben wir auch Dr. Marion De Lepper gefragt:

De Lepper: «Das ist eine sehr, sehr gute Frage und diese Frage beinhaltet aber leider auch eine Fehlannahme. Auch die Coronaimpfung in der klinischen Entwicklung hat alle Phasen durchlaufen. Man hat natürlich die Dringlichkeit erkannt. Und was man bei der Coronaimpfung gemacht hat, man vorher schon sich mit den regulatorischen Behörden auseinandergesetzt und überlegt, wie kann das möglichst schnell ablaufen. Die Zulassungsstudien für die Coronaimpfung hier wurden gleich schon Mitarbeiter der EMA an die Seite gestellt, die die ganzen Phasen von Anfang an begleitet haben und die Phasen haben überlappt. Also die Phase 1 Studie ist angelaufen, dann hat man auch schon kurz darauf die Phase 2 Studie gestartet. Man hat nicht gewartet, bis die Phase 1 abgeschlossen war, sondern ist schon hier in die Phase 2 Studie gegangen unter strengem Monitoring der Sicherheitsmaßnahmen, also da hat man ganz gezielt drauf geguckt und das Gleiche hat auch stattgefunden in der Phase 3 Studie. Auch hier hat die überlappt mit der Phase 2 Studie, sodass diese Zeitspanne deutlich kürzer war. Das andere sind administrative Zeiträume, die die EMA benötigt, um die ganzen Daten zu begutachten. Im Schnitt sind das 210 Tage. Jetzt hat man das nochmal deutlich reduzieren können, dadurch auch, dass die EMA gleich Mitarbeiter die Zulassungsstudien begleitet haben, jetzt waren auch permanent in den Daten drin, sobald die erproben wurden. Das hat das Ganze auch nochmal beschleunigt. Dann sie können sich ja vorstellen, die EMA hat ja mehrere Arzneimittelimpfstoffe zu begutachten und hier hat man auch dementsprechend priorisiert.»

L: Okay, dadurch, dass der Covid-Impfstoff so dringend gebraucht wurde, haben sich die einzelnen Phasen überschnitten. So konnte der Impfstoff sehr viel schneller eingesetzt werden. Es wurden also keine Phasen übersprungen oder außer Acht gelassen. Das ist gut zu wissen.

V: Ich finde den Mythos aber auch nachvollziehbar, weil der Impfstoff im Vergleich zu anderen ja sehr schnell da war.

L: Da stimme ich dir zu. Und es war nicht so transparent einsehbar. Umso beruhigter können wir also nun sein – und auch unsere Zuhörer:innen. Aber es gibt trotzdem andere Studien, denen man nicht unbedingt vertrauen sollte. Gerade in den Zeiten des Internets.

V: Genau! Wenn ihr euch noch fragt, wie ihr eine gute Studie erkennen könnt, das haben wir von Dr. Marion de Lepper erfahren. Hier ein paar gute Tipps dazu:

De Lepper: «Um eine, die Qualität einer Studie dann auch beurteilen zu können, hier gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Zum Beispiel wenn sie sich eine Studie anschauen, die ehm wirklich guten um hochwertigen Studien die sind angemeldet. Hier gibt es verschiedene Register, es gibt ein internationales Register, clincaltrialdotgov, in der die Studie bereits angemeldet ist mit vollständigen Protokoll ganz transparent, Einschluss- Ausschlussbedingungen, eine ähnliche Plattform gibt es für europaweite Studien und es gibt auch speziell ein deutsches Register wenn jetzt eine Studie fokussiert in Deutschland stattfindet, dann wird eher auf dieses Plattform die Studie angemeldet. Das sind anerkannte Register und das ist schonmal ein erstes Anzeichen, dass es sich um eine anerkannte hochwertige und glaubhafte Studie handelt.»

L: Es gibt also Register im Netz, die ich jederzeit abrufen kann. Und jetzt für die, die nicht unbedingt recherchieren wollen: Wie können wir die Aussagekraft einer Impfstudie erkennen? Dazu Prof Dr. Dr. Reinhard Bornemann:

Bornemann: «es gibt für einen Laien verschiedene Kriterien, an denen er das ableiten könnte, zunächst mal ist eine Impfstudie, wie ich schon gesagt habe, letztlich eine Folge nach einem vorgeschalteten Ethikvotum, allein die Tatsache, dass eine Ethikkommission, sagen wir mal in Europa, das ist für mich transparent, in übrigen Erdteilen sind dieses Institutionen für mich nicht transparent, die kenne ich nicht aber wenn hier in Europa etwas durch die Ethikkommission gegangen ist, darf man als Laie schonmal davon annehmen, dass es eine vernünftige Sache ist. Man darf dann als nächstes, bei den Studien muss man sich erstmal angucken, als Laie erstens mal, an wie vielen Leuten wurde eine Studie durchgeführt und was ich jetzt sage, gilt exakt eins zu eins auch für Medikamentenstudien. Ehm, ist die Zahl der Probanden bei 20 oder bei 2000, das ist natürlich ein himmelweiter Unterschied, das ist ein Kriterium, ein weiteres Kriterium ist ehm ob einer, ich gehe jetzt davon aus, publizierten Studie, ob das in einem erstrangigen Journal der fall ist oder in einer ansonsten unbekannten Zeitschrift aus irgendeinem Land dieser Erde. Auch daran kann man schonmal was ableiten, weil diese Zeitschriften auch ein gewissen Filter haben, was sie überhaupt annehmen und auch ein sehr striktes Peer- Review, ob diese Studien was taugen. Ein weiterer ganz wichtiger Punkt, wenn ich eine Studie lese, wo irgendeiner ein Interesse dran haben könnte, was er da schriebt, also ein kommerzielles oder sonstiges Interesse, lese ich die Arbeit von hinten und gucke erstmal in die Interessenkonflikte rein. »

V: Das waren jetzt viele Punkte. Also nochmal zusammengefasst, was wir beachten können, um die Qualität abzulesen: Schaut euch die Anzahl der Teilnehmenden bei einer Impfstudie an. Und dann ist noch ein Kriterium: wer hat diese Studie veröffentlicht? Ist es eine wissenschaftliche Quelle, oder eine beliebige Person? Mit welchem Interesse? Qualitativ hochwertige Studien sind nämlich in Registern angemeldet. International wäre das clinicaltrialdotgov. Dort werden die Studien transparent abgebildet. In Deutschland gibt es das „deutsche Register klinischer Studien“ vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Wir verlinken euch die Seiten in den Shownotes!

Trenner + Musik

L: Viktoria, was hast du gelernt in dieser Folge zu Mythen und Gerüchten, rund um das Thema Impfen?

V: Ich weiß jetzt, wie Impfstudien ablaufen. Und dass die Ethikkommission eine entscheidende Rolle spielt, ob ein Impfstoff überhaupt zugelassen wird. Ich habe auch gelernt, wie es sein kann, dass der COVID-Impfstoff so schnell zugelassen wurde. Wirklich gut zu wissen, dass dabei keine Phase ausgelassen wurde. Linda, wie schaut’s bei dir aus? Was nimmst du mit?

L: Für mich war ganz wichtig herauszufinden, wie wir seriöse Impfstudien erkennen können. Ich achte also darauf, wie viele Proband:innen teilgenommen haben, wer hinter der Studie steckt und schaue, ob die Studie registriert ist.

V: Wir hoffen, unsere Folge zum Thema Impfmythen hat euch gefallen und dass ihr einiges mitnehmen konntet, so wie wir.

Wir bedanken uns fürs Zuhören! Danke auch für euer Interesse an dieser Folge von bestensimpformiert.

L: Ihr findet uns auch auf Instagram unter dem gleichnamigen handle: bestensimpformiert.

Eure Hosts waren Linda Gumbiowski…

V: Und Viktoria Baum. Bis dahin alles Gute und bis bald

Shownote-links:

Empfehlungen_zur_Begutachtung_2012.pdf (gesundheitsforschung-bmbf.de): https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/files/Empfehlungen_zur_Begutachtung_2012.pdf

https://www.bfarm.de/DE/Das-BfArM/Aufgaben/Deutsches-Register-Klinischer-Studien/_node.html

https://clinicaltrials.gov/

Europäische Arzneimittel-Agentur – EMA | Europäische Union (europa.eu)

Impfstudien: Ablauf, Wirksamkeit und Nebenwirkungen | D4L (data4life.care)

Schutzimpfungs-Richtlinie - Gemeinsamer Bundesausschuss (g-ba.de)

Prüfkriterien – AKEK – Arbeitskreis Medizinischer Ethik-​Kommissionen

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